Werden wir wirklich so dumm sein und uns von Maschinen übernehmen lassen?

Die künstliche Intelligenz hat in diesem Jahr alle verrückt gemacht und jetzt behaupten auch noch Microsoft, Salesforce, Hubspot und Co., dass der Einsatz von KI enorme Fortschritte im Marketing und Sales-Bereich bringen wird. Aber werden wir wirklich so dumm sein und uns von Maschinen übernehmen lassen? Wie beurteilen die Experten und Expertinnen die Entwicklung in den nächsten 3 Jahren und welche Maßnahmen sollten die Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ergreifen, um dieser Bedrohung zu begegnen? Denn es gilt ja auch bei der KI, dass die größte Herausforderung die HI – die Human Intelligence – ist , denn „a fool with a tool remains a fool!“ Oder?

Möchte ein Esel ein Rennpferd sein?

Es ist zu beobachten, dass Unternehmen in der DACH-Region noch in der Steinzeit feststecken und sich zögerlich immer noch auf CRM-Systeme beschränken, die auch nach 20 Jahren keinen wirklichen Mehrwert bringen, weil der Vertrieb einfach schlechte Daten liefert und weil kein Mehrwert aus den CRM-Systemen generiert wird. Und das, während in anderen Ländern wie Großbritannien und den USA die Marketing-Automatisierung schon längst eingeführt ist. Warum hinken wir hier so hinterher und wie können wir endlich aus diesem Dornröschenschlaf erwachen?

Bildschirmfoto 2023 04 27 um 16.13.10 | IFSMAJa, die KI kann enorme Fortschritte im Marketing und Vertrieb schaffen, aber… Aus meiner Perspektive sind wir weit davon entfernt, dass die KI uns (zu meinen Lebzeiten) übernehmen kann. Überall dort, wo wir Effizienz und Ergebnis mit einer KI steigern können, wird sie zum Einsatz kommen. Die KI kann aber aus einem Esel kein Rennpferd machen – zumindest in absehbarer Zeit noch nicht. Dazu müssten wir im Marketing und Vertrieb schon viel weiter sein. Wir hätten schon viel mehr mit Strategie und Plan vorgehen müssen. 

Marc Keating
Chief Innovation Officer at B2B agency Stein IAS
Head of Digital Transformation at MSQ Partners

Bildschirmfoto 2023 04 27 um 17.21.43 | IFSMA

Warum verändert sich die digitale Kommunikation nicht?

Ein Teil des Problems liegt in der mangelnden Bereitschaft, die digitale Kommunikation umzugestalten. Die Marketingtechnologie muss mit der Wachstumsagenda in Einklang gebracht werden. Daher ist die Unterstützung durch die Führungsebene erforderlich, um den tatsächlichen Wert zu erschließen und KPIs für den Erfolg festzulegen. Der Nachweis, dass es möglich ist, vorhersehbare Ergebnisse zu prognostizieren, den Return-on-Marketing-Investment (ROMI) und den Beitrag zum Umsatz nachzuweisen, wird den Wert der Technologie von einem Marketing- und Vertriebsinstrument zu einem Wachstumsmotor für das Unternehmen machen. Das Reengineering der Unternehmenskommunikation ist erst 2022 in Gang gekommen, als der IFSMA Experte Prof. Dr. Uwe Seebacher seine Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet publizierte. Er spricht dabei von Versäumnissen der gesamten wissenschaftlichen Community, die dazu führen, dass immer mehr Unternehmen sich in Shitstorm-Tsunamis a la Astra-Zeneca, Deutsche Bahn oder Ravensburger widerfinden. 

Dabei könnten es sich die Unternehmen so einfach machen, wenn die handelnden Personen aus dem Bereich Marketing, Vertrieb und Unternehmenskommunikation einfach über den Tellerrand blicken würden. Denn dann würde klar werden, laut Seebacher, dass für eine orchestrierte 24/7 All-2-All Unternehmensinteraktion grundsätzlich alle im Bereich der Vertriebs- und Marketing Automatisierung zur Anwendung kommenden Konzepte aber auch Systeme direkt übernommen werden könnten. Aus der Buyer Journey wird eine Communication Journey oder aber aus dem Account-based Marketing (ABM) wird die Segment-basierte Interaktion (SBI). Das würde bedeuten, dass sich die Wirtschaftlichkeits-Betrachtungen für die angeschafften Lösungen optimieren würden und zudem durch die hinzukommenden Daten aus der Unternehmenskommunikation, wertvolle neue Erkenntnisgewinne für den gesamten Bereich der prädiktiven Unternehmensinteraktion (Predictive Interaction Intelligence) gewonnen werden könnten.

Bildschirmfoto 2023 04 27 um 17.21.43 | IFSMA

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Wir hätten viel mehr auf unsere Daten achten müssen. Denn: „Wer sein Ziel nicht kennt, für den ist kein Wind der richtige“. Soll heißen, dass man die KI nicht in ein Unternehmen werfen und sie alleine die strategische Steuerung übernehmen kann. Und ohne konsistente Daten wird das schon gar nicht funktionieren. Man könnte fast schon einen Plan dahinter vermuten, dass die Menschheit die Möglichkeiten der Technologie und die Macht der Daten ignoriert, um die Machtübernahme durch die KI möglichst lange zu verhindern. 

Marc Keating
Chief Innovation Officer at B2B agency Stein IAS
Head of Digital Transformation at MSQ Partners

5  Maßnahmen für die kommenden 3 Jahre!

Es gibt verschiedene Ansichten und Einschätzungen von Experten und Expertinnen zur Entwicklung von KI und der Übernahme von Menschen durch Maschinen in den nächsten 3 Jahren. Einige Experten und Expertinnen glauben, dass die Fortschritte in der KI-Technologie exponentiell voranschreiten werden und dass Maschinen in der Lage sein könnten, menschliche Aufgaben in vielen Bereichen zu übernehmen, einschließlich Vertrieb und Marketing.

Andere Experten und Expertinnen betonen jedoch, dass KI-Systeme derzeit noch nicht in der Lage sind, menschliche Kreativität und emotionale Intelligenz zu replizieren und dass es in vielen Branchen nach wie vor einen hohen Bedarf an menschlichen Fähigkeiten gibt. Dass diese Expertisen blauäugig sind, belegen die bereits weltweit verfügbaren auf sich auf dem Vormarsch befindlichen MarCom-on-Demand (MoD) oder MarCom-as-a-Service (MaaS) Plattformen, die teilweise nur einzelne Leistungen bis hin zu gesamten Leistungen der MarCom-Wertschöpfungsketten heutiger Kreativ- und Digital-Agenturen abzudecken imstande sind.

Um der potenziellen Bedrohung durch die Übernahme von Menschen durch Maschinen zu begegnen, sollten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz einige Maßnahmen ergreifen. Hier sind einige mögliche Strategien:

  1. Investitionen in Forschung und Entwicklung: Unternehmen sollten in Forschung und Entwicklung von KI-Technologie investieren, um auf dem neuesten Stand zu bleiben und in der Lage zu sein, KI-Systeme zu entwickeln und zu implementieren, die den Anforderungen der sich verändernden Arbeitswelt entsprechen. Der Benchmark liegt hier bei rund 50 % der Erhöhung der Ausgaben auf Basis der aktuellen R&D Ausgaben, um das Mindestmaß an Innovationsfähigkeit abbilden zu können. Das bedeutet, dass Unternehmen, die aktuell rund 8 % des Umsatzes für R&D ausgeben ab sofort diesen Wert auf mindestens 12 bis 14 % erhöhen müssen.

  2. Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitern: Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter regelmäßig schulen und weiterbilden, um sicherzustellen, dass sie über die Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, die für die Arbeit mit KI-Systemen erforderlich sind. Das IFSMA bietet hierzu spezielle Programme auf Anfrage für Mitgliedsunternehmen an, die in der Art und Weise aber auch der inhaltlichen Ausrichtung flexibel anpassbar sind.

  3. Zusammenarbeit von Mensch und Maschine: Unternehmen sollten KI-Systeme so gestalten, dass sie die Arbeit von Menschen unterstützen und ergänzen, anstatt sie zu ersetzen. Durch die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine können Unternehmen eine höhere Effizienz und Produktivität erreichen. In diesem Kontext besteht für IFSMA-Mitglieder auch die Möglichkeit sich bei laufenden und geplanten Forschungsprojekten aktiv mit den eigenen Bedarfen einzubringen.

  4. Berücksichtigung von ethischen und sozialen Fragen: Unternehmen sollten sich der ethischen und sozialen Fragen bewusst sein, die mit der Nutzung von KI-Technologie verbunden sind, und sicherstellen, dass ihre Systeme transparent, fair und menschenzentriert sind. Gerade der Bereich der Vertrauenswürdigkeit von KI-Lösungen stellt in der EU ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld dar – mehr als in vielen anderen Teilen der Welt. Der enge rechtliche Rahmen kann hierzu zu enormen Nachteilen für Unternehmen in der DACH-Region führen, wenn dieser Aspekt in den KI-Aktivitäten nicht frühzeitig und adäquat berücksichtigt wird. Das stellt die Unternehmen vor enorme Herausforderungen und muss als ein weiterer enormer Nachteil für die DACH-Region bereits jetzt erachtet werden. 

  5. Schutz der Privatsphäre und Datensicherheit: Unternehmen sollten sicherstellen, dass die Daten, die von ihren KI-Systemen erfasst werden, sicher und geschützt sind und dass die Privatsphäre der Kunden und Mitarbeiter gewahrt bleibt.

Indem Unternehmen diese Strategien umsetzen, können sie dazu beitragen, dass KI-Systeme für eine bessere Zusammenarbeit von Mensch und Maschine genutzt werden und nicht als Bedrohung für menschliche Arbeitsplätze wahrgenommen werden. Diese Maßnahmen sind entscheidend, um in den kommenden 3 Jahren eine solide Ausgangsbasis für das Zeitalter der Predictive Intelligence (PI) schaffen zu können.

Sie erreichen den Autor unter Thomas.Foell@wob.ag.

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