Martech-Flut: Das Stack-Portfolio professionell managen

Folgen Sie nicht dem neuesten Martech-Hype: Sei es der nicht verzichtbare Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder das Real Time Marketing. Lassen Sie sich nicht durch die riesige Zahl verfügbarer Martech-Tools abschrecken mit mehr als 10.000 Tools international (Scott Brinker) oder mehr als 1000 Angeboten in Deutschland.

Die Botschaft dieses Beitrags lautet:  Starten Sie nicht mit der Betrachtung der Martech-Landschaft und beschäftigen Sie sich nicht zu früh mit einzelnen Systemen und Anwendern. Beginnen Sie erst einmal mit der grundsätzlichen Frage: Welche Systeme benötige ich, um nicht nur heute sondern auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Machen Sie aber nicht den Fehler in Zeiten enger Budgets auf das Potenzial von Martech zu verzichten.

Die 2 Ziele von MarTech

Der Einsatz von Marketing-Technologien hat 2 Ziele:

  • die Effizienz von Marketing und Vertrieb zu erhöhen bzw. die Marketing- und Vertriebskosten zu senken
  • und die Effektivität von Marketing und Vertrieb zu verbessern bzw. den Erfolg der Marketing- und Vertriebsstrategie zu steigern

Letztlich geht es bei der Anschaffung von neuen Marketing-Technologien um eine Investitionsrechnung. Aber kann man vielleicht auch mit den vorhandenen Technologien mehr Effizienz und Effektivität erreichen?

1. Schritt Martech Ist-Portfolio bereinigen:

  • Bestandsaufnahme und Bewertung der vorhandenen Technologie
  • Welche Werkzeuge sind vorhanden und seit wann sind sie im Einsatz?
  • Wie viele Personen nutzen sie und wie häufig (geschätzte Stunden pro Monat).
  • Wie ist die Zufriedenheit der Nutzer und wo sehen die Nutzer Verbesserungspotenzial? (Abfrage)
  • Kann der Einsatz der vorhandenen Tools verbessert werden? Nutzung von Updates, intensivere Schulung usw.
  • Der Ersatz welcher vorhandener Systeme sollte geprüft werden?
  • Welche Systeme sollten ausgemustert werden?
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Das Ergebnis aus Schritt 1 kann so zusammengefasst werden:

  • Basissysteme (z.B. CRM-System) mit häufiger Nutzung und hoher Zufriedenheit pflegen und regelmäßig aktualisieren
  • Spezialsysteme mit seltener Nutzung aber hoher Zufriedenheit auf Outsourcing-Möglichkeiten prüfen (z.B. Marktforschungs-Software)
  • Problemsysteme mit häufiger Nutzung und geringer Zufriedenheit (z.B. umständliches E-Mailsystem) optimieren oder austauschen
  • Abbausysteme, also überflüssige Systeme mit geringer Nutzung und geringer Zufriedenheit eliminieren

2. Schritt: Überprüfung der etablierten Marketing- und Vertriebsprozesse und der dabei eingesetzten Tools

  • Effizienz-Check: Ermittlung der Zeitfresser, zum Beispiel
    • Zu viele unterschiedlicher Tools
    • Suche nach den relevanten Dateien
    • Aufwendiges Email-Marketing
    • Keine Standards/Templates für wiederkehrende Aufgaben
    • Keine klaren Prioritäten (Verzetteln)
    • Langwierige Abstimmung zwischen Marketing und Vertrieb
    • Umständliche Freigaben durch die Vorgesetzten
  • Workflow-Analyse: Optimierungspotenzial für die entsprechend der Marketing- und Vertriebsstrategie wichtigsten Workflows identifizieren und ausschöpfen, zum Beispiel
    • Zusammenarbeit mit Agenturen, z.B. Briefing-Prozess vereinfachen
    • Lead-Management, z.B. Scoring-Konzept einführen
    • Social Media Marketing, z.B. klares Content-Änderungsmanagement
    • E-Mail-Marketing, z.B. Adressdateien bereinigen
    • Content-Management, z.B. Key Word Index der Content Datenbank überarbeiten

Das Ergebnis aus Schritt 2 kann so zusammengefasst werden:

  • Vorhandene Optimierungspotentiale mit konventionellen Maßnahmen und den vorhandenen Tools ausschöpfen
  • Ansatzpunkte für neue Martech-Anwendungen identifizieren

3. Schritt: Das Martech-Ziel-Portfolio erstellen

  • Relevanz-Check: Welche Tools können zum Abbau der wichtigsten Zeitfresser  (Prioritätenliste) und zur Optimierung der wichtigsten Workflows in Marketing und Vertrieb (Prioritätenliste) eingesetzt werden?
  • Portfolio-Check pro Marketing- und Vertriebsprozess: Wie ist das kurzfristige und längerfristige Rendite-Potenzial bzw. Kosten-Nutzen-Potenzial der relevanten Tools und wie guten passen die Systeme zu unserer aktuellen Marketing- und Vertriebsstruktur (Organisation, Personal usw.? und wie zu einer neuen strategischen Ausrichtung?
  • Welche Tools spielen in mehreren Marketing- und Vertriebsprozessen eine wichtige Rolle? Diese Tools im ersten Schritt mit hoher Priorität betrachten.
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Das Ergebnis aus Schritt 3 kann so zusammengefasst werden:
  • Tools mit kurzfristig hohem Renditepotenzial und hoher Passgenauigkeit zur aktuellen Strategie und Marketing- und Vertriebsstruktur (Strategic Fit) versprechen kurzfristige Erfolge zur Sicherung des laufenden Geschäfts (Bestandssicherung)
  • Tools mit kurzfristig hohem Renditepotenzial und passend zu einer neuen strategischen Ausrichtung sind  als Quick Wins zu priorisieren.
  • Tools mit erst langfristigem Renditepotenzial auf Basis der alten Strategie und Struktur sind zu vermeiden (irrelevant)
  • Tools mit zwar erst langfristigem Renditepotenzial aber passend zur neuen strategischen Ausrichtung sind als strategische Projekte einzuplanen

Leider ist bei dieser Vorgehensweise die Bestimmung des Renditepotenzials alles andere als trivial. Die klassische Investitionsrechnung hilft da nicht weiter. Zwar lassen sich die Kosten für die jeweiligen Tools (Anschaffungskosten, Betriebskosten, Einführungskosten)  relativ gut abschätzen und auch erwartete Rationalisierungseffekt (z.B. durch Personaleinsparung) sind einigermaßen berechenbar. Aber inwieweit eine Software zu mehr Umsatz und Ergebnis beiträgt ist kaum realistisch zu berechnen. Hier hilft nur eine qualitative Nutzenbewertung mit Hilfe eines Punktbewertungsansatzes (Scoring). Welche Nutzenkriterien dabei berücksichtigt werden und wie diese zu priorisieren sind hängt von der jeweiligen Anwendung ab. Hierbei hat sich die gemeinsame Bewertung in einem Team aus Marketing- und Vertriebsanwendern bewährt.

4. Schritt: Die Auswahl der konkreten IT-Lösung

Damit kommen wir zu der Frage nach der richtigen Philosophie zum Aufbau eines Marketing Stack. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges entwickelt. Die Suche nach der besten Einzellösung (Best of Breed)  wurde durch die Suche nach der besten Plattform (Best Suite) abgelöst. Danach setzten sich immer mehr  nur  noch wenige Anbieter durch, die umfassende Marketing Cloud-Lösungen anboten. Inzwischen haben aber viele Unternehmen erkannt, dass auch die Marketing Cloud nicht alles abdeckt und man kommt wieder dazu Einzellösungen zu integrieren oder sogar verschiedene Marketing Cloud-Anbieter zu nutzen.

Unabhängig davon welcher dieser Philosophien man folgt, wird durch die oben genannte Vorgehensweise das Feld für die Suche der geeigneten Software zur Weiterentwicklung des optimalen Marketing-Stack deutlich eingegrenzt. Welches System und welcher Anbieter dann konkret entsprechend der oben genannten Priorisierung ausgewählt wird, kann schließlich wieder in einem gemeinsamen Team von Marketing und Vertrieb und gegebenenfalls von IT-Mitarbeitern anhand eines gemeinsamen Kriterienkatalogs und einer Nutzwertanalyse bestimmt werden. Typische Kriterien sind dabei neben dem Vergleich des Leistungsumfangs (einschließlich Support) und der Kosten (inklusive Beratungs-/Einführungs-/Schulungs-Kosten usw.) Aspekte wie Kompatibilität mit vorhandenen Systemen bzw. der existierenden IT-Landschaft, Anpassungsfähigkeit/Skalierbarkeit für zukünftige Anforderungen und schließlich die Leistungsfähigkeit des Anbieters (Referenzkunden), Branchenkompetenz, internationale Abdeckung usw. Nach einer Eingrenzung auf 4-5 Alternativen empfiehlt sich bei größeren Investitionen eine persönlicher Präsentation der Anbieter (Beauty Contest).

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